Der gültige Raumordnungsplan (veröffentlicht im Februar
2001) ließ eine Erweiterung des Mackenheimer Steinbruchs auf Mackenheimer Gelände
in Richtung Süden nicht zu. Die Gemeindeverwaltung kann in solchen Fällen,
sofern die grundsätzliche Zustimmung der Gemeindegremien zu den Erweiterungsplänen
gegeben ist, ein Abweichungsverfahren zur Änderung des regionalen
Raumordnungsplans einleiten.
In seiner Sitzung am 07.08.2001 hat der Abtsteinacher
Gemeindevorstand auf Antrag des Bürgermeisters Rolf Reinhard beschlossen, ein
solches Abweichungsverfahren zu beantragen.
Die Einladung zu der betreffenden Sitzung des Gemeindevorstands enthielt in der
Tagesordnung keinerlei Hinweis auf diese Beschlussfassung, eine entsprechende
Vorbereitung der Sitzungsteilnehmer war dadurch nicht möglich.
Der Antrag der Gemeindeverwaltung Abtsteinach an das Regierungspräsidium Darmstadt wurde
daraufhin mit Datum vom 13.08.2001 gestellt,
ohne zuvor eine entsprechende Beschlussfassung in der
Gemeindevertretung herbeizuführen und damit ohne ausreichende rechtliche
Grundlage.
Nach den Vorschriften der Hessischen Gemeindeordnung
ist der Gemeindevorstand für die laufenden Geschäftsvorgänge der Verwaltung
zuständig.
Grundsätzliche Entscheidungen im Rahmen der Planungskompetenz der Gemeinde sind
dagegen in einer Sitzung der Gemeindevertretung ausführlich zu erörtern und
dort zu beschließen. Dies um so mehr, sofern die Entscheidungen eine
weit reichende Bedeutung haben.
Dies wird durch die Hauptsatzung der Gemeinde Abtsteinach
ausdrücklich bestätigt.
Eine Übertragung der Entscheidungskompetenz von der Gemeindevertretung an den
Gemeindevorstand hat im vorliegenden Fall nicht stattgefunden. Eine Eilzuständigkeit des Bürgermeisters
und des Gemeindevorstandes war ebenfalls nicht gegeben.
Bei dem vorliegenden Antrag auf Abweichung vom
Regionalplan lag zweifellos eine Entscheidung von weit reichender Bedeutung
vor, sowohl für die betroffene Bevölkerung, deren Lebensqualität und für
Schutz und Werterhalt des privaten und gemeindlichen Eigentums, als auch für
die Natur sowie das Orts- und Landschaftsbild. Unterstrichen wurde diese
Bedeutung noch durch den geplanten weiten Zeithorizont von mindestens 20
Jahren.
Damit lag der Beschluss für den
Abweichungsantrag eindeutig in der ausschließlichen Zuständigkeit der
Gemeindevertretung.
Über den Antrag der Gemeindeverwaltung an das RP wurde
jedoch weder in der Gemeindevertretung noch in einem ihrer Ausschüsse eine
Abstimmung zur Beschlussfassung durchgeführt. Dies wurde in Einzelgesprächen
mit Gemeindevertretern von diesen eindeutig bestätigt ("... wir haben
nie etwas beschlossen ..." – Zitat der Gemeindevertreter Klaus
Schmitt, Peter Jöst, Willy Schröder, Jürgen Scharf u.a.).
Eine gewissenhafte und verantwortungsvolle Abwägung aller Belange einer solchen
schwerwiegenden Entscheidung als Gebot der planerischen Konfliktbewältigung hat
in den Gemeindegremien niemals stattgefunden.
Auf eine frühzeitige Bürgerbeteiligung mit Unterrichtung über
die tatsächlichen Ausmaße und Folgen des Vorhabens, seine Ziele, den Zweck und
eventuelle Alternativen wurde ebenso bewusst verzichtet.
Nach Darstellung des Abtsteinacher Bürgermeisters Rolf
Reinhard liegt lediglich eine "zustimmende Kenntnisnahme“ der
Gemeindevertreter im Rahmen des Berichtes des Bürgermeisters vor, der routinemäßig
zu Beginn jeder Gemeindevertreter-Sitzung durch den Bürgermeister verlesen
wird. Diese "zustimmende Kenntnisnahme" wurde von ihm wohl angenommen,
da sich keine Wortmeldungen der Sitzungsteilnehmer zu dem Bericht des Bürgermeisters
ergaben.
Diese Tatsache ist darauf zurückzuführen, dass den Gremien
der Antrag stellenden Gemeinde Abtsteinach bis zu diesem Zeitpunkt nur stark
vereinfachte bzw. eingeschränkte Informationen über das tatsächliche Vorhaben
der Steinbruch-Erweiterung vorlagen.
So war erst viel später, am 17.11.2001, in der Presse zu lesen, dass sich "die
Fraktionen noch am Anfang des Entscheidungsprozesses befinden" und noch zu
diesem Zeitpunkt dabei waren, "alles in Erfahrung zu bringen" und eine
Ortsbesichtigung durchzuführen.
Die Auswirkungen des beantragten Szenariums auf Umwelt,
Natur, Landschaftsbild und Ortscharakter, auf Gesundheit und Lebensqualität
sowie auf den Wertverlust des privaten Eigentums sind aber derart einschneidend,
die Konsequenzen aus einer Abweichung von den Zielen des Raumordnungsplanes sind
mit derart weit reichenden Folgen für die nächsten Jahrzehnte und Generationen
verknüpft, dass eine "zustimmende Kenntnisnahme“ durch die
Gemeindevertretung kein angemessener Umgang mit der Gesamtproblematik sein kann.
Zu einem Vorhaben dieser Tragweite wäre auf allen Ebenen von Politik und
Verwaltung eine eingehende Erörterung aller Konsequenzen für die betroffene Bürgerschaft
und für Natur, Landschaftsbild, Erholungswert der Umgebung, Wertverlust des
privaten Eigentums usw. zwingend erforderlich gewesen.
Dies umso mehr, als es im aktuellen Flächennutzungsplan mit
integriertem Landschaftsplan der Gemeinde Abtsteinach immer noch heißt: "Einzige
Besonderheit auf der Gemarkung ist der Gesteinsabbau im Nordteil an der
Gemarkungsgrenze zu Vöckelsbach .... Welche Dimensionen dieser Abbau angenommen
hat, zeigt ein Vergleich der Karten. Das Abbauende ist heute jedoch absehbar
und auf der Gemarkung Abtsteinach fast schon vollzogen .... ".
Die verantwortungsvolle Berücksichtigung all dieser
Belange, hätte nur zu einer Ablehnung des Vorhabens durch die
Gemeindevertretung führen können und dürfen.
Natürlich hätte der Antrag auf Abweichung von den Zielen der Raumordnungsplanung
auch vom Regierungspräsidium direkt eingeleitet werden können, wie dies von
Abtsteinachs Bürgermeister immer wieder vorgetragen wurde.
Ein solches Verfahren hätte jedoch die zwingende Aufforderung an die
Abtsteinacher Gemeindegremien beinhaltet, zu dem Abweichungsvorhaben Stellung zu
beziehen.
Wenn die Gemeinde Abtsteinach dann
nach gewissenhafter Prüfung aller Belange und in verantwortungsvoller Übereinstimmung
mit dem Mehrheitswillen der betroffenen Ortsbevölkerung eine Erweiterung des
Steinbruchgeländes nach Süden abgelehnt hätte, wäre die Abweichung von den
Zielen des Regionalplanes niemals genehmigt worden.
Dies wurde in einem dokumentierten Presse-Interview vom Regierungspräsidenten
ausdrücklich bestätigt.
Insofern war aus Sicht der
Steinbruchbetreiberin der eingeschlagene Weg auch der sicherste, denn wenn die
Gemeinde Abtsteinach selbst den Antrag stellt, kann sie logischerweise das
Vorhaben nie mehr grundsätzlich ablehnen.
Der einzige mögliche Weg, die Steinbruch-Erweiterung zu verhindern, war damit
blockiert!
Aus Sicht der betroffenen Bürger wiederum liegt in
dem beschriebenen Verfahrensablauf, der vor allem durch den Abtsteinacher Bürgermeister
Rolf Reinhard eingeleitet und während der gesamten Abwicklung zielgerichtet geführt
wurde, eine Umgehung der Entscheidungskompetenzen des höchsten Gremiums der
Gemeinde, nämlich der Gemeindevertretung, vor.
Die regionalplanerische Entscheidung zugunsten der beantragten Abweichung beruht
damit in ihrem Ursprung auf einer formal fehlerhaften Beantragung ohne
Einhaltung der festgelegten Zuständigkeiten und Aufgabenteilung der
gemeindlichen Gremien.
Darüber hinaus ist eine grobe Verletzung der
demokratischen Grundbedürfnisse der betroffenen Menschen festzustellen, die
durch das Erweiterungsvorhaben in ihrem unmittelbaren Lebensraum ihre
Grundrechte auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Grundgesetz Artikel 2)
und ihr Recht auf Eigentum (Grundgesetz Artikel 14) in hohem Maße bedroht
sehen. Hier wurden eindeutig die wirtschaftlichen Ziele eines
Industrieunternehmens vor die Interessen der betroffenen Bevölkerung und vor
den Erhalt unseres Natur- und Landschaftserbes gestellt.
Verschiedene Beschwerden durch die
BiSS über das unrechtmäßige Zustandekommen der Beschlüsse wurden von der
Kommunalaufsicht zurückgewiesen.
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